Faszination Pferd - Die Arbeit am Boden

"Frag mich nach der Poesie

                                 in der Bewegung, Schönheit,

         Intelligenz und Kraft,

                         und ich zeige dir

                                    ein Pferd."

                                                                         -ohne Vefasser-

Pferde sind wunderbare, eindrucksvolle Wesen. Wenn Ihr euch über unsere Trainingsphilosophie informiert habt, dann wisst Ihr, dass uns das Pferd als Partner sehr wichtig ist. Die Bodenarbeit ist ein wichtiger Teil in der Arbeit mit dem Pferd und ist für den Beziehungsaufbau und zur Lösung von Problemen sehr wichtig.

Auch bei uns im Unterricht lernen die Kinder, am Boden mit dem Pferd umzugehen und Probleme und Hindernisse gemeinsam mit dem vierbeinigen Partner zu bewältigen.

Was ist Bodenarbeit?

Als Bodenarbeit kann man erst einmal die allgemeine Arbeit mit dem Pferd am Boden bezeichnen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, das Pferd vom Boden aus zu beschäftigen und zu trainieren. So wussten schon die Lehrmeister der alten klassischen Reitkunst um die Vorzüge und Wichtigkeit der Arbeit z. B. an der Hand, am Langzügel oder an der Doppellonge für die Gymnastizierung des Pferdes.

Heute findet man in der klassisch englischen Reiterei vor allem das Longieren, oft auf Trense mit sog. Hilfszügeln, die den Pferdekopf in die richtige Position bringen, als haüfig einzige Art der "Arbeit von unten".

In den letzten Jahren hat sich eine weitere Form der Bodenarbeit entwickelt, die sich nicht nur auf das physische Training und die Gymnastizierung des Tieres konzentriert, sondern seinen  Schwerpunkt in der Kommunikation mit dem Pferd in seiner Sprache hat und darauf abzielt, es zu verstehen und als Freund und Partner zu gewinnen. Der Ausbilder macht sich dabei die natürlichen Verhaltensweisen und Instinkte des Pferdes zunutze, um es zu trainieren und zu gymnastizieren. Auf Grundlage der nonverbalen Signale aus der "Pferdesprache" geht der Mensch einen Dialog mit dem Pferd ein, in dem seine Bedürfnisse und Charaktereigenschaften berücksichtigt werden und zwischen beiden eine vertrauensvolle Partnerschaft entstehen kann, in der der Mensch die Rolle des Leittieres einnimmt.

Auch bei uns im Unterricht achten wir auf einen pferdegerechten Umgang und versuchen, den Kindern die "Sprache der Pferde", wie es so schön heißt, beim Führen und Putzen beizubringen. So können Missverständnisse bei der Arbeit mit dem Pferd effektiv angegangen und behoben werden.

Im Folgenden stellen wir euch verschiedene Formen der Bodenarbeit aus diesen beiden Bereichen vor.

Die Ausbildung des Pferdes an den "langen Leinen"

Schauen wir uns einmal die Arbeit am Boden als Teil der dressurmäßigen Ausbildung des Pferdes genauer an. Sie reicht weit in die Geschichte der klassischen Reitkunst zurück. Schon die französischen Reitmeister unter König Ludwig XIII. haben die Arbeit mit den  doppelten Pilaren (ähnlich der heutigen Doppellonge) in die Ausbildung der Pferde am königlichen Schulstall mit einfließen lassen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Arbeit an der Doppellonge weiter eingesetzt und von dem französischen Reitmeister F. Robichon de La Guérinière wesentlich geprägt.

Bei der Arbeit an der Doppellonge werden zwei lange Leinen erst im Kappzaum, später in der Trense des Pferdes eingehängt, durch die Ringe des Longiergurtes geführt und laufen schließlich in den Händen des Ausbilders zusammen. Diese Form der Arbeit ist etwas schwieriger als die Arbeit an der normalen Longe, jedoch bietet sie einen entscheidenden Vorteil: Dadurch, dass man "von beiden Seiten" auf das Pferd einwirken kann, lässt sich Stellung und Biegung gut erarbeiten und die Hilfen können feiner und besser gegeben werden.  

Das Arbeiten an den doppelten Pilaren wurde dazu genutzt, um das Pferd zu gymnastizieren und Vertrauen aufzubauen. Es konnte so die gelernten Übungen, vor allem die der hohen Schule wie Piaffe, Pesade, Levade und eine Reihe von Schulsprüngen, verbessern und sie ohne das Reitergewicht weiter verfeinern und präsentieren. Überdies verlangt diese Arbeit auch vom Ausbilder einiges an Erfahrung und Geschick und wird deshalb nicht umsonst als "Königsdisziplin der Reiterei" bezeichnet.

Die gymnastizierende Dressurarbeit an der Doppellonge, an der Hand und am langen Zügel waren früher und ist auch heute noch ein elementarer Bestandteil der klassischen und barocken Reitkunst, jedoch ist ihre Anwendung stark zurück gegangen. In der heutigen in Deutschland weit verbreiteten englischen Sportreiterei, die sich an den Richtlinien der FN orientiert, findet man diese Art der Ausbildung kaum noch, jedoch wird ab 2020 eine Abzeichenprüfung für die Doppellonge und die Arbeit am langen Zügel angeboten.

Longieren

Neben der klassischen Form des Longierens heute, das Pferd läuft aufgetrenst und mit Hilfszügeln ausgestattet auf dem Zirkel um den in der Mitte stehenden Ausbilder herum, kamen in den letzten Jahren auch neue "Innovationen" auf, die das Training etwas anders gestalten.

Ein Beispiel dafür ist das Rückentraining durch Longieren am Kappzaum, ohne Ausbindezügel. Das Pferd wird gymnastiziert, indem es lernt, sich selbst zu tragen, also nicht mit Hilfszügeln in eine bestimmte Position gebracht wird. Erreicht wird dies durch abwechslungsreiches Training mit Stangen und Pylonen sowie vielen Richtungswechseln. So ist zum Beispiel die Arbeitsform "Equkinetic" von Michael Geitner aufgebaut.

Longieren im Voltigiersport

Kommunikation - Eine WhatsApp- Nachricht ans Pferd...?

 

Freiarbeit, Natural Horsemanship, Join-Up Methode nach Moty Roberts,...

 

Sie alle haben eins gemeinsam:

 

 

 

...Nein, keine Magie.

 

 

Pferdeflüsterei!

 

So könnte man es nennen, wobei dieser Begriff eigentlich das falsche Bild entstehen lässt, da diese Form der Arbeit mit Flüstern nichts zutun hat. Es steht also niemand auf dem Reitplatz und flüstert dem Pferd etwas ins Ohr. Jedoch ist es auch eine Sprache, die "leise" gesprochen wird, da sie auf Mimik und Körpergestik basiert. So kommunizieren Pferde auf der Weide in der Herde, im Stall, und auch mit uns Menschen. Das ist auch der Grund, warum es so oft Probleme zwischen Pferd und Mensch gibt, oder anders gesagt, warum Pferde oft nicht das tun, was wir von ihnen möchten; weil wir mit unserem Körper etwas ganz anderes ausdrücken, als wir eigentlich beabsichtigt haben. Wir sind, wie Georg August Schulte Quarterkamp vom westfälischen Landgestüt Warendorf mal gesagt hat, "Körpersprachenanalphabeten". Und mit sowas muss ein Pferd erstmal klar kommen. Denn habt Ihr schon einmal einem Chinesen, ohne die Hilfe von Internet, Dolmetscher oder Wörterbuch, das Deutsch Sprechen bei gebracht? 


Horse Agility und Clickertraining

Vielleicht kennen einige von euch diese Sportart für Hunde - Dog Agility. Man läuft mit seinem vierpfotigen Freund frei einen Parcours aus verschieden Hindernissen und für gute Leistungen bekommt der Hund eine Belohnung. Horse Agility funktioniert eigentlich nicht viel anders. Das Pferd läuft frei neben seinem Menschen her und bewältigt verschiedene Aufgaben oder Hindernisse, zum Beispiel einen Flattervorhang, eine Wippe oder einen Sprung. Nicht umsonst heißt diese Pferdesportart Agility - Die Flinkheit oder Beweglichkeit.

Mit fortschreitender Erfahrung kann der Parcours im Trab oder sogar (wer schnell genug ist, um mit seinem Pferd mit zu halten) im Galopp bewältigt werden. Das Training kann durch die vielen Parcours-Möglichkeiten sehr abwechslungsreich gestaltet und somit auf die körperlichen und geistigen Fähigkeiten jedes Pferdes angepasst werden.

 

Alles Zirkus!

Als Zirkuslektionen werden meistens allgemein alle Tricks und Kunststücke bezeichnet, die man einem Pferd beibringen kann, eben wie im Zirkus. Dort dient das Einstudieren von Kunststücken mit Tieren der Belustigung des Publikums und hat vor allem einen Showeffekt. Doch auch immer mehr Privatreiter bringen ihren Pferden seltsame Übungen gezielt bei, ohne damit bei einer Aufführung glänzen zu wollen. Zirkuslektionen haben nämlich auch, richtig ausgeführt, einen gymnastizierenden Effekt, da sie bestimmte Muskelgruppen stärken und dehnen. Ein Pferd, welches das sogenannte Kompliment ausführt (Foto rechts) kann man also durchaus mit einem Menschen vergleichen, der einen Spagat kann.

Nicht zuletzt stärken gerade Übungen wie das Hinlegen das Vertrauen zwischen Mensch und Vierbeiner.


Zusammen frei!

Es die wohl ehrlichste Art, mit dem Vierbeiner zu arbeiten; eine enge und funktionierende Partnerschaft mit einer klaren Rangfolge ist die Voraussetzung für das Gelingen der Arbeit ohne Strick und Halfter.

Ist das Pferd frei, kann es sofort eine blanke und manchmal auch knallharte Rückmeldung über das Verhalten des Menschen geben. Und das tut es. In der Freiarbeit gibt es kein Seil, mit dem man es festhalten kann, wenn es weg gehen will, keinen Schenkel, mit dem ein seitliches Ausweichen verhindert werden kann, kein Trensengebiss, an dem man rucken kann, wenn das Pferd nicht auf den Hänger gehen will. Wenn der Mensch all diese Hilfsmittel ablegt, dann bleibt zwischen ihm und seinem Pferd nur noch eins: Das Vertrauen. Ein Band, welches über lange Zeit geknüpft werden muss, und nur ein kleiner Fehler genügt, um es zu zertrennen. Einmal überlastet, reißt es und es ist aufwendig und dauert lange, dieses Seil wieder zu reparieren.

Doch wenn es lang und dick genug ist, dann ist es stabiler als jeder Strick, kräftiger als jeder Schenkel und wirkungsvoller als jede Trense.

Quellen

- Karl, Philippe: Hohe Schule mit der Doppellonge, BLV Verlagsgesellschaft mbH, Paris 1990, 1. Aufl.

- Steigerwald, Nina: Agility mit Pferden, Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart 2015, 1. Aufl.

- Roberts, Monty: Die Sprache der Pferde, Bastei Lübbe Taschenbuch, 2002, 1.Aufl.

- Braun, Gudrun und Borelle, Bea: Bea Borelles Zirkusschule, Franckh- Kosmos Verlags-GmbH & Co.KG, Stuttgart 2004, 1. Aufl.